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Arbeitgeber in der Pflicht: Urlaub verjährt nicht automatisch

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem neuen Urteil höhere Anforderungen an den Beginn der Verjährungsfrist beim gesetzlichen Urlaubsanspruch aufgestellt. Arbeitgeber*innen müssen ihre Beschäftigten über ihren konkreten Urlaubsanspruch und die Verjährungsfristen belehren, andernfalls beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen. Rechtsanwalt Fleßer gibt dazu Praxistipps.
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Gilt die Rechtsprechung für sämtliche Urlaubsansprüche? Wann verjährt der Urlaubsanspruch?

Grundsätzlich ist zwischen gesetzlichen und darüberhinausgehenden, vertraglichen Urlaubsansprüchen zu unterscheiden. Für den vertraglichen Urlaubsanspruch können abweichende Regelungen getroffen werden. In der Praxis wird in Arbeitsverträgen jedoch häufig nicht zwischen gesetzlichen und vertraglichen Urlaubsansprüchen differenziert. In der Regel wird auch keine Tilgungsbestimmung vereinbart. Ohne Tilgungsbestimmung greift nach Auffassung des BAG die in § 366 Abs. 2 BGB vorgegebene Tilgungsreihenfolge mit der Maßgabe, dass zuerst gesetzliche Urlaubsansprüche und sodann den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Urlaubsansprüche durch Arbeitgeber*innen erfüllt werden (Vgl. BAG, Urteil vom 01.03.2022, Az.9 AZR 353/21).

Der Urlaubsanspruch bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch von Arbeitnehmer*innen in Deutschland unterliegt der Verjährung. Die Verjährung dient dem Zweck nach Ablauf einer gesetzlich vorgegebenen Zeit Rechtssicherheit herzustellen. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt nach den §§ 194 Abs. 1, 195 BGB drei Jahre. Sie beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist und die Arbeitnehmer*innen von den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt haben (§ 199 Abs. 1 BGB).

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden.  Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder persönliche Gründe der Arbeitnehmer*innen dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Kann der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, ist er gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG finanziell abzugelten.

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Welche Pflichten bestehen gegenüber den Beschäftigten?

Mit dem Urteil setzt das BAG das um, was der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil vom 22.09.2022 (Az. C-120/121) vorgegeben hat. Hintergrund der Entscheidung war ein Vorlageersuchen des BAG (Vorlagebeschluss vom 29.09.2020, Az. 9 AZR 266/20 [A]). Es ging um die Vereinbarkeit der Verjährung von gesetzlichen Urlaubsansprüchen mit den europarechtlichen Vorgaben des Beschäftigtenschutzes. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes dürfen Arbeitgeber*innen nicht für die Verletzung von Hinweispflichten mit der Einrede der Verjährung belohnt werden. Zumal Arbeitnehmer*innen ohnehin die schwächere Partei im Arbeitsverhältnis sein. Arbeitnehmer*innen müssen in die Lage versetzt werden ihren Urlaubsanspruch zu nehmen, das heißt, sie müssen rechtzeitig aufgefordert werden, ihren Urlaub zu nehmen. Die Verjährungsfrist beginnt erst nach Erfüllung dieser Hinweispflicht zu laufen.

Welche Risiken bestehen für Hoteliers und Gastronom*innen bei Nichtbeachtung?

Bei Nichtbeachtung der Hinweispflicht beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen. Das heißt, dass Arbeitnehmer*innen über Jahre hinweg Urlaubsansprüche ansammeln können. Dies stellt ein erhebliches Risiko für die betrieblichen Abläufe dar, wenn beispielsweise ein*e Arbeitnehmer*in in einem Jahr den über Jahre hinweg angesammelten Urlaubsanspruch nehmen möchte, kann dies zu herausfordernden Personalausfällen führen. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses können zudem erhebliche Abgeltungsansprüche für den angesammelten Urlaubsanspruch bestehen.

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Ein solcher Fall lag auch dieser Entscheidung des BAG zugrunde. Die dortige Klägerin war vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2017 bei der Beklagten als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beschäftigt. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses sammelte die Klägerin 101 offene Urlaubstage an. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte sie die Abgeltung der offenen Urlaubstage. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung und wies die Forderung zurück. Damit hatte die Beklagte vor dem BAG jedoch keinen Erfolg. Nach Ansicht des BAG finden die Vorschriften des Verjährungsbeginns zwar Anwendung auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch, allerdings erst, nachdem Arbeitgeber*innen ihre Arbeitnehmer*innen über ihren konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt haben und der Urlaub dennoch nicht genommen wurde. Der beklagte Arbeitgeber wurde zur Abgeltung des angesammelten Urlaubsanspruchs verurteilt.

Praxistipp

Hoteliers und Gastronom*innen sollten in Zukunft ihre Beschäftigten rechtzeitig und nachweisbar auf bestehende Urlaubsansprüche und die Verjährung des Urlaubsanspruchs hinweisen. Praxistauglich erscheint beispielsweise eine jährliche Information aller Beschäftigen zu Beginn der zweiten Jahreshälfte eines jeden Jahres. Es sollte über den zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden, individuellen Urlaubsanspruch mit dem Hinweis, dass dieser bis zum Ende des Jahres zu nehmen ist und spätestens mit dem Ablauf des 31.03. des Folgejahres verfällt, informiert werden. Falls der Urlaubsanspruch in der Folgezeit dennoch nicht voll genutzt wird, so beruht dies zu auf einem Versäumnis der Beschäftigten. Indem die Beschäftigten in die Lage versetzt werden, ihren Urlaub zu nehmen, besteht Rechtssicherheit für alle Beteiligten.

Themen in diesem Artikel
PersonalplanungVerjährungsfrist

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